Laufband Test & Vergleich by MJC Mergener Hof

TERA-GRAMM 01/2015

Good-Newsletter als PDFpdf


 

Und auf einmal bist du Onkel Heinz

Das Leben muss man rückwärts verstehen und vorwärts leben!

Boah, ich glaube ich werde alt! Nicht, dass ich mich alt fühle, nein, es ist vielmehr meine Umwelt, die mir das mehr und mehr vor Augen hält und mich mehr oder weniger zwingt, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich werde bald 55, das sieht geschrieben schrecklich aus und passt überhaupt nicht zu meinem gefühlten Alter. Das ist deutlich jünger. In meinem Herzen fühle ich mich eher wie 17 und wenn Sie meine Töchter auf mein peinliches Verhalten ansprechen, dann würden sie eher auf noch jünger tippen. Schrecklich! Als ich mir
„Shades of Grey“ im Kino angesehen habe, fing ich an, mich für die Möbel zu interessieren, wobei – nebenbei bemerkt – jede Rosamunde-Pilcher-Verfilmung über mehr Erotik-Potenzial verfügt als dieser überwiegend aus kitschigen Profilbildern der Darsteller bestehende Film. Fast hätte ich meine Frau im Kino laut gefragt, wie sie die Kommode
findet, aus der Christian Grey sein BDSM-Spielzeug für Anastasia Steele herausholt. Habe ich natürlich nicht gemacht; aber so fängt es doch wohl an. Schlimmer noch beim Sport. Ich mache Sport seit ich
denken kann, Boxen, Kampfsport, Marathon, Fitness.
Beim Fitnesstraining ist es besonders schlimm, wenn ich an einem der Geräte einmal wieder von so einem Jungspund gefragt werde: „Sind Sie da noch dran?“ Schlimm ist, dass ich diese jungen Spackos duze, sie mich aber weiterhin konsequent siezen.

Ich hatte nie Probleme damit, älter zu werden, habe es aber zuerst im Beruf gemerkt, vor fünf Jahren, da wurde ich 50. In meiner Vorstellung sind Gesprächspartner und Kunden, zu denen ich fahre, immer älter als ich. Aber da sitzt dann plötzlich ein Klinikleiter vor mir oder ein Bankdirektor, der gerade einmal
38 Jahre alt ist. „Frechheit“, denke ich, „wieso ist der so jung?!“ Auf einmal wird mir bewusst, dass es sich gedreht hat, das Alter und ich plötzlich auf der anderen Seite sind, nämlich der Älteren. Manchmal glaube ich auch, ich würde von meiner Mutter synchronisiert werden, weil ich zu meinen Töchtern Sätze sage, von denen ich überzeugt war, sie niemals selbst sagen zu wollen. Ich warte noch auf den Tag, an dem der erste mir im Bus seinen Platz anbietet. Dann, spätestens dann qualmt es aber im Karton! Besonders erschreckt ist meine Frau darüber, dass ich mit zunehmender Begeisterung WDR 4 höre. Hätte ich selbst vor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten. Früher dachte ich, liefe da nur so eine langweilige Fahrstuhlmusik. Heute sind es aber Lieder, die absolute Klassiker für mich sind. Oldies! Und meine Töchter schütteln nur mit dem Kopf und bemerken, dass es vor ihrer Zeit gewesen sein muss, so etwas gut zu finden. Schlagartig fühle ich mich wie damals, als Onkel Heinz von Caterina Valente schwärmte. „So ein Mist“, dachte ich, „das ist doch keine Musik, das ist organisierter Lärm und schreckliche Geräusche von alten Leuten sonst nichts.“ Und jetzt denken meine Kinder so wie ich damals und ich bin ohne Vorwarnung selbst Onkel Heinz. Onkel Heinz zu sein, war aber noch nie ein gutes Zeichen. Wir fanden uns cool, damals, als es noch keine Kopfstützen und Sicherheitsgurte im Auto gab, keine Handys, nur Tante Tilli und Clementine, Flipper und Lassie.

Weil das Tera-Gramm aber bekanntlich ein GoodNewsletter ist, hier die gute Nachricht: Das Alter hat auch Vorteile. Jawohl! Irgendwie kommt alles wieder und man muss nicht jeden blöden Trend mehr mitmachen. Im Sportstudio trage ich meine alten ausgelatschten Chucks und die gute alte Jogginghose aus Baumwolle und keine teure Funktionskleidung oder Designer-Klamotten wie dieses Top-Models oder Instagramm-Giraffen und ausgemergelten Kleiderständer. Draußen, wenn ich mit meinen drei Hunden unterwegs bin, sehe ich dann junge Leute auf ihren ulkigen Fahrrädern oder Rollbrettern mit Kameras am Helm oder einer GoPro an der Stange. Dann fange ich an zu lächeln, aber so, dass man es von außen nicht sehen kann und denke: „Niemand, wirklich niemand wird sich diesen Mist jemals angucken, was die jungen Spackos da stundenlang aufnehmen.“ Woher ich das so genau wissen will? Von meinem Onkel Heinz, der jahrelang sämtliche Familienfeiern auf Super8 und später auf VHS festgehalten hat. Kein Mensch hat sich das je wieder angesehen. Neulich las ich, dass das Durchschnittsalter von Selbstmord­attentätern 22 Jahre ist. Mit Mitte 50 macht man das nicht mehr, das ist einem alles viel zu laut und zu anstrengend. Das ist übrigens noch ein Vorteil des Alters: Den ganz großen Unsinn macht man nur, wenn man noch jung ist.

Inspiriert durch Ralf Husmann, „Plötzlich Onkel Heinz“, Playboy 03/2015, S. 156

luedke

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

„Wie konnte der mir das nur antun?“ „Was habe ich nur falsch gemacht?“ „Wieso ist mir das wieder geschehen?“ Wenn wir von anderen enttäuscht, betrogen und gekränkt werden, kommen wir oftmals nicht darüber hinweg. Vorwürfe und Selbstanklagen halten die Erinnerung an das Geschehene lebendig und legen einen Schatten auf die Vergangenheit. Manche Menschen entwickeln darüber einen richtigen Lebensekel und verbittern.
Wir kommen leider nicht unverletzt durchs Leben.
Die schreckliche Scheidung, die bittere Enttäuschung, ein begangener Fehler. Scham, Schuld, Zweifel sind oft die Folge.
Wie kann man sich davon befreien? Als klinischer Hypnosetherapeut wird mir dieses Frage oft von Patienten gestellt. Ich habe im Laufe der vielen Jahre eine hilfreiche Antwort darauf gefunden: Vergeben und verzeihen! Auch wenn wir diejenigen sind, die gekränkt, verletzt und enttäuscht worden sind, ist es gut und wichtig, irgendwann zu vergeben und zu verzeihen, um gesund zu werden und zu heilen. Was vorbei ist, ist vorbei. Wechseln Sie Ihre Perspektive und Sie können die Ereignisse emotional neu bewerten. Es ist nie zu spät, eine schöne Kindheit zu haben. Werfen sie den Ballast ab! Heute noch! Was aus den Augen ist, ist irgendwann auch aus dem Sinn! Leben Sie vorwärts und verzeihen Sie bitte! Und den Männern, die Probleme damit haben 50 oder älter zu werden, möchte ich Hoffnung machen: Freuen Sie sich auf das Alter, denn die schönsten Lieder spielt man auf den ältesten Geigen!

Ganz herzlich, Ihr Dr. Christian Lüdke